Causa Maaßen - Ein Kommentar von Jean-Marie Leone, Fraktionssprecher der SPD im Rat der Stadt Puchheim

Jean-Marie Leone, SPD Puchheim

Jedes M(a)aß verloren

Ein guter Rat lautet: "Schlaf erstmal eine Nacht drüber!". Ich habe den Rat beherzigt und sogar zwei Nächte "drüber geschlafen". Gebracht hat es nichts. Im Gegenteil. Je mehr ich darüber nachdenke, umso wütender, enttäuschter und ratloser macht es mich. Worum es geht? Um die Causa Maaßen natürlich! Um was denn sonst? Es gibt im Moment ja nur noch dieses eine Thema.

Natürlich ist es so, dass die Causa Maaßen vor allem ein Versagen der handlungsunfähigen oder -unwilligen Kanzlerin ist, die mit schnellen Schritten ihrem politischen Ende entgegengeht. Und natürlich ist es so, dass ein augenscheinlich von allen guten Geistern verlassener, möglicherweise von Rachegelüsten eben gegen die Kanzlerin und seinen CSU-internen Gegenspieler Söder getriebener Innenminister Seehofer eine Politik der verbrannten Erde betreibt und in seiner Raserei mit voller Wucht die Axt an die Regierung und an die politische Stabilität des Landes anlegt.

In dieser Situation hätte die SPD als Dritter im Bunde das Regulativ, das Korrektiv für das beispiellose, traurige Schmierentheater der Union sein können, ja sein müssen. Doch Andrea Nahles hat mir ihrer einsamen Nacht- und Nebelentscheidung, den unsäglichen Maaßen-Deal abzunicken, der Demokratie im Allgemeinen und der SPD im Besonderen einen brutalen Schlag verpasst, von dem sich weder die Demokratie noch die SPD so schnell erholen werden.

Folgende Fragen gehen mir immer wieder durch den Kopf: Wie kann man in so einer Situation jegliches Gespür für das eigene Handeln vermissen lassen? Wie kann man das eigene Tun in der Innen- und Außenwirkung so falsch einschätzen, wie es Andrea Nahles nun getan hat? Wo ist ihr innerer Kompass abgeblieben, der ihr hätte anzeigen müssen, dass sie in eine völlig falsche Richtung unterwegs ist? Kann man wirklich so ignorant und/oder naiv sein? War es gar Kalkül, um den eigenen Posten nicht zu gefährden?

Nahles hat mit ihrem Plazet zu dem Kuhhandel um Maaßen nicht nur den rechten Kräften im Lande voll in die Karten gespielt, sie hat auch viele SPD-Mitglieder bis hinauf in die Bundestagsfraktion und viele SPD-Sympathisanten zutiefst erschüttert und vor den Kopf geschlagen.

Die SPD im Geiste eines Otto Wels, eines Willy Brandt und eines Helmut Schmidt hätte es doch sein müssen, die diesen schmutzigen Deal aus moralisch-ethischer und vor allem aus politischer Verantwortung heraus strikt hätte ablehnen müssen! Die hätte verhindern müssen, dass ein mit rechten Kräften sympathisierender und kooperierender "Verfassungsschutz"-Chef nunmehr zu einem "Mini-Minister" im Innenministerium befördert wird! Die einem CSU-Innenminister außer Rand und Band seine Grenzen hätte aufzeigen müssen, wenn es die Kanzlerin schon nicht kann oder will!

Mit ihrem Ja zu Maaßens Quasi-Beförderung hat Andrea Nahles binnen weniger Stunden einen kaum mehr zu kittenden Vertrauensbruch verursacht. Es muss ihr jetzt in ganz kurzer Zeit gelingen, das Ruder herumzureißen und den Maaßen-Deal zurückzudrehen. Gelingt dies nicht, wird das noch viel verheerendere Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit und somit auf die Wahlergebnisse der SPD haben als das nun ohnehin schon der Fall sein wird. Ganz zu schweigen von dem Schaden, den das Ansehen der Regierung und der Regierungsparteien in Berlin bereits genommen hat und dann noch nehmen wird.

Wird bzw. bleibt Maaßen Staatssekretär im Innenministerium, muss Andrea Nahles als Parteivorsitzende meiner Meinung nach ihren Platz räumen. Die SPD müsste dann - spätestens dann - nach meinem Dafürhalten die unheilvolle GroKo-Regierung zwingend verlassen, denn an eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist schon jetzt nicht mehr zu denken. Die Scherben wird dann eine andere oder ein anderer zusammenkehren müssen, gemeinsam mit den vielen ratlosen und wütenden Mitgliedern an der Basis, die vor Ort Tag für Tag für die Glaubwürdigkeit der SPD kämpfen und denen es dann so "gedankt" wird.

Jean-Marie Leone
Sprecher der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Puchheim