Das Virus enttarnt die Arroganz der Menschheit - Wachsamkeit ist geboten

Jean-Marie Leone SPD Puchheim
SPD Puchheim

Das Virus enttarnt die Arroganz der Menschheit - Wachsamkeit ist geboten

Es ist in diesen bewegten Tagen schon viel geschrieben, gesagt, behauptet, spekuliert und fabuliert worden. Die Bandbreite ist enorm, beispielsweise zwischen den Aussagen von Medizinern und Wissenschaftlern, den schrecklichen Bildern und Meldungen, die wir z.B. aus Italien erhalten und den geistigen Ergüssen der inzwischen ja bei fast allen Themen hyperaktiven Verschwörungstheoretiker.

Angesichts der derzeit geltenden Ausgangsbeschränkungen sehen nicht wenige das Ende der Demokratie, des Rechtsstaats und unserer Freiheit bevorstehen. Das Virus, so die Logik, sei nur ein willkommenes Mittel zum Zweck, um die Grundrechte des einzelnen dauerhaft einzuschränken, um...ja, mit welchem Ziel eigentlich?

Wer würde in unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung davon profitieren, wenn das öffentliche Leben zeitlich unbegrenzt aufgrund staatlicher Restriktion zum Erliegen käme und damit auch die Wirtschaft in einen ruinösen Abwärtsstrudel gerissen würde?

Die oft kritisierte, beschimpfte "Politikelite" würde daraus jedenfalls eher keine Vorteile ziehen, im Gegenteil. Der wirtschaftliche Niedergang mit allen damit verbundenen Konsequenzen wie Inflation, Massenarbeitslosigkeit und sozialen Unruhen würde doch vielmehr den "Alternativen" in die Karten spielen, die jetzt schon an unserer demokratischen Grundordnung sägen. Wer würde die sogenannten "Altparteien" noch wählen, wenn sie unsere Freiheit länger und stärker als erforderlich einschränkten und zeitgleich alles "den Bach runtergeht"?

Also stelle ich an alle Verschwörungstheoretiker die Frage: Cui bono? Wer hätte etwas davon, wenn die Staatsform, die uns in Deutschland seit mehr als sieben Jahrzehnten Frieden und überwiegenden Wohlstand gebracht hat, zerstört und ersetzt würde durch einen restriktiven Überwachungsstaat? Dies würde nur den Extremen an beiden Rändern des politischen Spektrums nützen, und da am ehesten den rechten Fanatikern, die in der AfD ihren politischen Arm gefunden haben.

Anstatt den bunten Verschwörungstheorien, die ja nicht selten auch Parallelen zur Weimarer Republik und zur Machtergreifung Hitlers herzustellen versuchen, nachzuhängen, könnte man auch voraussetzen, dass unsere demokratisch gewählte und legitimierte Regierung derzeit - im besten Sinne - alles versucht, um die Corona-Pandemie einzudämmen und die sozialen und wirtschaftlichen Folgen soweit wie möglich abzufedern.

Man kann beispielsweise der Bundeskanzlerin ja viel vorwerfen. Aber wenn sich etwas - sicherlich vor allem aufgrund ihrer "DDR-Biografie" - wie ein roter Faden durch ihre Amtszeit gezogen hat, dann war es der Grundgedanke, dass unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ein Schatz ist, den es gut zu hüten gilt.

Anstatt wilde Theorien in die Welt zu setzen und damit in einer ohnehin angespannten Situation zusätzlich Ängste zu schüren, könnte man auch dem Gedanken nähertreten, dass das Virus wirklich eine gefährliche Bedrohung für die Menschheit ist, die es durch entschlossenes Handeln einzudämmen und zu bekämpfen gilt.

Vielleicht sind wir es in unseren "modernen Zeiten" einfach nicht mehr gewohnt, dass unsere Existenz im Universum trotz aller Wissenschaft und aller Technik immer noch eine ziemlich fragile ist. In der Geschichte unseres Planeten ist das Zeitalter des Menschen ein Wimpernschlag, aber wir haben die Erde verändert wie kein anderes Lebewesen zuvor. Die Allmachtsfantasien, die hierdurch in vielen Köpfen entstanden sind, erhalten durch das Virus einen brutalen Dämpfer. Während Umweltzerstörung und Klimawandel für immer noch zu viele Menschen eine recht abstrakte Bedrohung sind, ist das Corona-Virus ein ganz konkreter Angriff auf die Arroganz der Menschheit, alles zu jeder Zeit kontrollieren zu können.

Wenn man so will, birgt das Virus also auch Chancen für die Menschheit: Neben geradezu evolutionären Entwicklungen in vielen Bereichen (Medizin, Wirtschaft etc.), die durch die augenblickliche Situation forciert werden, kann in uns allen vielleicht endlich auch wieder die Erkenntnis reifen, dass nicht einmal der Mensch alles nach seinem Willen regeln und gestalten kann. Und dass nicht nur unser Planet verletzlich ist, sondern wir alle miteinander. Und dass wir deshalb aufhören müssen, uns gegenseitig wegen Macht, Geld und Gier zu bekämpfen, sondern zusammenarbeiten müssen, um die Bedrohung unserer Zukunft gemeinsam zu meistern.

Richtig und wichtig ist hierbei aber auch, dass wir alle miteinander wachsam bleiben. Es ist unbestritten, dass in der Geschichte der Menschheit Krisen oft ausgenutzt wurden, um Systeme zu verändern, leider zumeist zum Nachteil von Freiheit und Demokratie. Wir alle sind dazu aufgerufen, die Entwicklungen sorgsam zu beobachten und die staatlichen Maßnahmen ebenso konstruktiv wie kritisch zu begleiten. Wir haben derzeit eine Ausnahmesituation, die entsprechend ungewöhnliche und für uns ungewohnte Maßnahmen erforderlich macht. Die damit verbundenen Restriktionen, die unbestritten in unsere persönliche Freiheit eingreifen, dürfen daher nur solange gelten, wie es zur Eindämmung der Pandemie unbedingt erforderlich ist.

Eine große Aufgabe der Politik, aber auch der gesamten Gesellschaft wird es sein, die Zeit nach der Krise zu gestalten. Niemand wird bestreiten, dass die Welt danach eine andere sein wird als vor dem Ausbruch des Virus. Aber wenn wir dies als Chance begreifen und die richtigen Lehren daraus ziehen - z.B., dass jeder einzelne Verantwortung für das "große Ganze" trägt -, dann können die Menschheit und auch unsere Demokratie gestärkt daraus hervorgehen. Wachsamkeit ist hier sicherlich in jeder Beziehung das Gebot der Stunde.

Bleiben Sie gesund. Und wachsam!

Es grüßt Sie herzlichst

Jean-Marie Leone
Sprecher der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Puchheim